Isolation in Raum und Zeit

...aus..."Simplicity and Power: The Poetry of Sri Chinmoy 1971-1981"


Die Repräsentation des Selbst, das durch Verzweiflung in tiefste Isolation gerät, findet man in vielen Gedichten Emily Dickinsons. Auch für sie ist Schmerz an sich etwas Räumliches:


Es gibt einen Schmerz-
So tief,
Er verschluckt alles Wesentliche?
Dann bedeckt er den Abgrund
Durch Trance?


Und etwas, das einen Zusammenbruch der Wahrnehmung veranlasst:


Schmerz beinhaltet
Ein Element der Leere?
Er kann sich nicht erinnern,
Ob es eine Zeit
Gab ohne ihn.



Er hat keine Zukunft-
Nur sich selbst?
Seine Unendlichkeit
Beinhaltet Vergangenheit-
Erleuchtet,
Um neue Perioden des Schmerzes
Wahrzunehmen.


Auf der Suche nach genauer Korrelation des Schmerzes als Zentrum der Verzweiflung, wählten beide Poeten das Konzept der Leere und des Nichts, um die Zeit zu sabotieren. Die Zeit vergeht nicht, die Kontinuität, die aus der Reihenfolge von Momenten resultiert. Diese Gedichte erscheinen, als würden sie sich eher selbst konsumieren als zu einem Ende zu gelangen.

Dieses Abwürgen der Zeit offenbart sich selbst als eine Hauptstrategie des Lyrikers. Die Beständigkeit der Gegenwart, ohne die Grenzen der Vergangenheit und Zukunft, Anfang und Ende, führt uns in eine Welt ewiger Gegenwart. Wenn man diese Art auf ein Gefühl wie Verzweiflung überträgt, unqualifizierte Verzweiflung, ist der Poet in der Lage, aus einer Befindlichkeit heraus, mehr als persönliches Lamentieren zu kreiieren: wir hören die chorische Stimme des Menschen und erfahren die unabänderlichen Emotionen des menschlichen Herzens.

In anderen Gedichten Sri Chinmoy's ist es die Kontemplation der Natur, die erwacht und diese Art von isoliertem und erhöhtem Moment hervorbringt.


Das Boot silbernen Lichts segelnd,
Nähert sich mir die Mond-Schönheit
Geschwind.
Der Himmel vibriert in
Süssen und melodiösen Liedern.
Die Vögel fliegen jenseits des Horizonts
Zu einem unbekannten Land.
All meine Hoffnungen
Fliegen ohne jegliches Ziel.
Langsam neigt sich der Abend
Meines Lebens.


Anfänglich erhellt sich der Blick des Poeten den Mond erblickend, dessen geschwindes Gleiten über den Himmel sich selbst als silbernes Boot sehen lässt, das hastig auf den Poeten zusegelt. Das Bild ist ein Gemisch aus Bewegung und Farbe. Es offenbart uns das exquisite Konzept von jemandem, der extrem sensitiv auf Schönheit reagiert. Des Poeten nächste Berührung ist das Hören der Klänge von Liedern, die in der Luft resonieren und vibrieren, Lieder, die der Himmel selbst hevorzubringen scheint. Unser Eindruck von Fülle und Energie in diesen externen Details wächst und bleibt bestehen durch das letzte Element der Szene: Wir sehen einen Schwarm von Vögeln den Himmel überqueren und den Horizont erreichen, von wo aus sie jenseits des Horizonts weiterfliegen "zu einem unbekannten Land." Die Vision des Poeten entlässt sie an einem Punkt, an dem er das Bild verlässt.

Diese drei, aufmerksam ausgewählten Details erschaffen ein gemischtes, malerisch und musikalisches Bild, dass unglaublich lebendig, strahlend und bezaubernd ist. Jeder Aspekt dieser Szene drückt ein inneres Design oder eine Absicht aus, von der der Poet jetzt zugibt, in starkem Kontrast zu seiner eigenen Befindlichkeit zu stehen. Während er den fliegenden Vögeln zuschaut, mit augenscheinlicher Absicht, das unbekannte Land zu erreichen, reflektiert er, dass seine Hoffnungen kein so sicheres Ziel haben. Während er von Bewegung und Bedeutung umgeben ist, findet der Poet jedoch keinen korrespondierenden Impuls in seinem eigenen Leben. Er schliesst absichtlich mit der leeren und aufrichtigen Zeile: "Langsam senkt sich der Abend meines Lebens." Die ergreifende Melancholie dieser Unterbewertung, die stille Traurigkeit, die sie hervorbringt und der Grad der Unverbundenheit, der solch eine wahrheitsgetreue Aussage möglich macht, erlauben uns einen unerwarteten Zugang zum Bewusstsein des Sprechenden. Wir sehen einen Menschen mit einem aufmerksamen, verfeinerten Gewahrsein eines Künstlers, jedoch eines Künstlers, der vom Objekt seiner Wahrnehmung entfremdet ist. Wir fühlen seine Resignation im Alter, beobachten das langsame Fortschreiten des Zustandes seines Lebens. Sein "Abend," mit seinen unerfüllten und unausgesprochenen Hoffnungen und Sehnsüchten stehen in besonderem Kontrast zur mystischen und schönen Szene. Die stille, durchdringende Schwermut seiner Nacht umfasst das Ende des Gedichtes. Das Bild, das uns bleibt, ist das eines Menschen, der sein Gesicht zum Himmel emporhebt, in sich selbst ein Bild der Sehnsucht, der auf ästhetische Weise in die Schönheit der Szene versunken ist, die ihn umgibt, dessen spirituelle oder psychische Reaktion jedoch eher von akuter Isolation spricht. Es ist, als würde ihm die Szene erlauben, zu grösserer Tiefe einer Emotion vorzudringen, einer Tiefe, die sich in und durch die Subtilität seiner beschreibenden Kraft selbst manifestiert. Jede andere Aktion ist suspendiert oder zurückgehalten, so dass der Poet diese innere, kontemplative Tiefe in sich selbst erwecken möge.