Der Einsatz rhetorischer Mittel bei Sri Chinmoy

...aus..."Simplicity and Power: The Poetry of Sri Chinmoy 1971-1981"

Man sollte die rhetorischen Mittel eines Dichters wie Sri Chinmoy in dem im vorhergehenden Abschnitt ausgeführten Zusammenhang sehen. Ein einziges Gedicht soll uns zu Beginn helfen, verschiedene dichterische Werkzeuge zu benennen: "O Bird of Light" aus der Sammlung "My Flute" (1972). [10]

O BIRD OF LIGHT

One thought, one tune, one resonance-
Who calls me ever and anon?
I know not where I am.
I know not whither I shall go.
In dark amnesia,
Myself I buy, myself I sell.
All I break, again all I build.
All I hope to be mine, mine alone.
Alas, my heart is eclipsed
By dark and wild destruction-night.

O Bird of Light, O Bird of Light,
With your glowing and flowing flames
Do enter into my heart once again.
You are calling me to climb up
And fly into the blue.
But how can I?
My heart is in prison,
In the strangled breath of a tiny room.
O Bird of Light, O Bird of Light,
O Bird of Light Supreme.
In me, I pray, keep not an iota of gloom.

Wie viele der Gedichte Sri Chinmoys, zelebriert das Gedicht "O Bird of Light" den subjektiven Blickwinkel, indem es mehr mit dem direkt gesprochenen Wort hantiert, als mit einem formelleren oder deskriptiven Gestus. Der Stil ist daher dem natürlichen Rhythmus der Sprechstimme verbunden oder, um genauer zu sein, der verzweifelten Selbstbefragung.

Das Gedicht beginnt mit einer rätselumwobenen rhetorischen Frage. Die dreifache Wiederholung des Wortes "one" als Anapher signalisiert dem Leser die Dringlichkeit der Frage, während die leicht veraltete Wendung "ever and anon" mit ihrer verzögernden Wirkung den unsichtbar Rufenden mit der mystischen Unbestimmtheit vergangener Jahrhunderte umgibt. Der unergründliche Klang dringt von fern zu ihm - eine beinahe romantische Form der Bewusstwerdung.

Der Dichter schiebt seine Antwort an den Rufenden noch ein wenig auf und reflektiert stattdessen seinen eigenen inneren Gemütszustand. Mit einem mal sind wir in die Verlorenheit und Verzweiflung des "lebendig toten" modernen Menschen geworfen, unsicher seines Wegs und in einem fortwährenden Zustand der Selbstvergessenheit existierend. Die völlige Hilflosigkeit des Dichters drückt sich besonders in zwei Zeilen aus, die einander nicht nur von der Satzstruktur her parallel entsprechen, sondern auch in der exakten Entsprechung von Schlüsselwörtern. Eine doppelte rhetorische Figur also, die schon von den Griechen verwendet wurde:

I know not where I am.
I know not whither I shall go.

Der Dichter wendet hier das an, was Brian Vickers "eines der grundlegenden Gesetze der Rhetorik" nennt:

"Repetition of a framework is not only a prime device for emotional stress but that repetition of a framework will give great emphasis to any new elements inserted into it."[11]

Wiederholung der Form ist nicht nur ein vorzügliches Mittel, um Gefühle zu verdichten, diese Wiederholung der Form verleiht auch jedwedem darin neu eingeführten Element besonders großes Gewicht.

Die Wiederholung von "I know not" dient hier dazu, die ganze psychische Tragweite und Intensität im Zustand des Dichters zu entwickeln.

Das Wort "amnesia" überrascht uns in diesem Zusammenhang. Seine Konnotation von Gedächtnisverlust aufgrund eines tiefen Schocks oder einer Krankheit verweist auf psychisch schädigende Einflüsse der Gesellschaft. Dies wird noch stärker markiert, indem in den folgenden Zeilen kaufmännische Begriffe zur Verwendung kommen, um das Verhältnis des Dichters zur Welt und zu sich selbst zu beschreiben:

Myself I buy, myself I sell.
All I break, again all I build.
All I hope to be mine, mine alone.
Alas, my heart is eclipsed
By dark and wild destruction-night.

Ohne ausdrückliche biografische Bezüge zu geben, gelingt es dem Dichter, seinen Zustand mit großer Gefühlsgenauigkeit zu evozieren: erstens auf der konzeptionellen Ebene durch die Verwendung jener kaufmännischen Begriffe und zweitens auf der rhetorischen Ebene durch das Nebeneinander der antithetischen Begriffe "buy/sell" und "break/build". Wir erleben das Leiden, das dem Spiel der verschiedenen zerstörerischen und besitzorientierten Kräfte der menschlichen Natur entspringt. Die Wiederholung ist wiederum eines der Mittel des Dichters, um diese spirituelle Niedergeschlagenheit in poetische Begriffe zu bringen. Sie dient ihm als ein Gerüst, das stark genug ist, um die beträchtliche emotionale Intensität zu tragen, mit der er es beladen will.

Untersucht man die in der Sprachwissenschaft unterschiedenen Varianten der Wiederholung, so findet man in diesen Zeilen mehrere verschiedenartige Figuren: von der Parallelität von Satzlängen bis hin zu wörtlichen Entsprechungen und sogar zur Wiederholung des gleichen Wortes ohne vermittelnde Konjunktion, wie in "mine, mine alone" (Geminatio). Die wiederholende Verkettung von Worten ist jedoch nicht das einzige Mittel, das der Dichter anwendet. Man erkennt im direkten Nebeneinander der Worte "break" und "build" ein Wortspiel als feinsinniges rhetorisches Mittel. Sri Chinmoy vertaut innerhalb der dichten Versstruktur diese Worte, die sich zwar klanglich ähneln, aber Gegensätzliches ausdrücken.

Die Stilmittel, selbst in diesen wenigen Zeilen, häufen und intensivieren sich. Wir haben das Gefühl, den Höhepunkt der Ausweglosigkeit zu erreichen, und die abschließende Klage dieser ersten Strophe mit ihrer schweren rhythmischen Senkung auf das letzte zusammengesetzte Hauptwort "destruction-night" veranschaulicht auf dramatische Weise das verebben der Lebenskraft des lyrischen Ich.

An diesem Punkt angelangt schweift das Auge des Dichters nach außen, weg von seiner eigenen Lebenslage zu dem, dessen Ruf er vernommen hat. Er wendet sich ohne Umschweife an den Rufenden als den "Bird of Light". Das Wesen dieses Vogels ist bewusst mehrdeutig. Obwohl wir ihn als Metapher für die Seele deuten können, scheint die insistierende, immergleiche Wiederholung der Phrase die Grenze zwischen Metapher und Objekt zu verwischen, so dass der Vogel unmittelbare Wirklichkeit gewinnt, und sei sie übernatürlicher Natur. Man könnte dieses Stilmittel vielleicht exakter bezeichnen als die "Kenning" der altgermanischen Prosodie, die bildhafte Umschreibung eines nicht genannten Hauptwortes – bisweilen steinern wirkende Wortwendungen, doch bei den besten Schriftstellern ein sprachliches Hilfsmittel mit enormer suggestiver Wirkung [12]. Kennings sind geeignet für die Sprache eines spirituellen Dichters wie Sri Chinmoy, der ja für das Verhältnis zwischen Mensch und Gott ganz bestimmte Analogien wählt. Sie helfen dem Dichter nicht nur, mehrere Gedanken zu verschmelzen, sondern dienen dem Leser als gut erkennbare Orientierungspunkte. Die Interpretation des "Bird of Light" als der Seele wird uns ermöglicht durch Bedeutungsübertragungen aus anderen Gedichten desselben Autors. Im Gedicht "Revelation" heißt es beispielsweise:

Above the toil of life my soul
Is a Bird of Fire winging the Infinite.[13]

Man kann die Kenning in vieler Hinsicht als Ausdrucksformel auffassen, die der Metaphernlandschaft jedes Dichters innewohnt.

Sri Chinmoy ruft seinen umherschweifenden, von Seligkeit erfüllten Seelenvogel an, in sein verlassenes Herz zurückzukehren. Mit trauererfüllter Zärtlichkeit benennt er die Fähigkeit des Vogels, ihn in höhere Welten zu tragen, um dann zu erwidern:

But how can I?
My heart is in prison,
In the strangled breath of a tiny room.

Die enorme Kluft zwischen dem eingekerkerten Herzen und dem Vogel, dem Inbegriff der Freiheit, ist ein erschütternder Kommentar über die Kluft zwischen den Möglichkeiten der Seele des Menschen und den Möglichkeiten seiner übrigen Wesensteile. Der Mensch ist von seinem eigenen ewigen oder visionären Selbst abgeschnitten, er ist dazu verdammt, innerhalb der engen Grenzen dessen zu leben, was Sri Chinmoy sein Gefängnis ("prison") nennt und Hopkins in "The Caged Skylark" ein "bone-house, mean house":

As a dare-gale skylark scanted in a dull cage
Man's mounting spirit in his bone-house, mean house,
dwells.[14]

Sri Chinmoy beschließt sein Gedicht jedoch im Ton der Hoffnung. In einer letzten flehenden Anrufung benennt er den Vogel drei mal. Jede wortgleiche Wiederholung scheint an Intensität zu gewinnen und dennoch schafft die melodiöse Qualität der Worte einen besänftigenden Ausgleich. Mit der offensichtlichen Freude des Dichters an der reinen Wiederholung der Phrase "O Bird of Light" scheint ein Lied daraus zu werden. Aus Worten wird ein lyrisches Gewand der Schönheit und der Dichter gibt dem magischen Klang nach:

0 Bird of Light, 0 Bird of Light,
0 Bird of Light Supreme,
In me, I pray, keep not an iota of gloom.

Das Anfügen des Wortes "Supreme" am Höhepunkt dieses "Liedes" zeigt uns, dass der Vogel für den Dichter eine direkte Verkörperung oder Bote des Höchsten ist. Dies ist eine elegant angehängte Enthüllung, deren Position im Gedicht verankert wird durch den Halbreim auf den Worten "In me" und dem ganz am Ende stehenden "gloom".
Die letzte Zeile ist nun weniger eine Lösung als eine Affirmation, das siegreiche Zurückkehren von Hoffnung, Glaube und Wille. Ihre Elemente werden drastisch isoliert durch die eröffnende grammatikalische Inversion (Anastrophe). Die Worte sind sehr bewusst gewählt, langsam und voller Kraft. Sie sind auch formbildend in einem lyrischen Sinne, denn das Wort "iota" schafft einen grundlegenden Kontrast zwischen dem den Dichter ursprünglich umfangenden „all I break, again, all I build“ und seinem jetzt wiedergewonnenen Drang, auch den letzten Rest von Niedergeschlagenheit aus seinem Geist zu verbannen. Diese abschließende Wendung ist daher von nicht zu leugnender sprachlicher Stärke, von metaphorischer Stärke (welche niemals ins Ungefähre romantischen Phantasierens abgleitet) und thematischer Stärke: ein Erwachen des Menschen zu seiner ihm eigenen aufstrebenden Natur, eine Bewegung des menschlichen Geistes in Richtung Vollkommenheit. Dass wir das Gedicht als Einheit wahrnehmen, liegt auch am gekonnten Einfügen der vielen Stilmittel in das Baugerüst des Gedichts – Variationen des Satzbaus, verschiedene Formen der Wiederholung, Systeme von Gleichgewicht und Antithese, Schlüsselreime neben der feinen Musikalität von Halbreimen oder Assonanzen – all das verleiht dem Gedicht den hohen Ausdruck, dem wir uns als Leser bereitwillig öffnen und der in uns unmittelbare Resonanz erzeugt.

Nach Plutarch zeigt es die größte Fertigkeit der Rede,

"to know how to move the passions and affections thoroughly, which are as stops and sounds of the soul, that would be played upon with the fine fingered hand of a conning master." [15]

Gemüt und Leidenschaften gründlich zu bewegen, welche das Aufhorchen und der Klang der Seele sind, auf der dadurch wie ein Steuermann mit geschickter Hand gespielt wird.

Aus der hier dargelegten Analyse von "O Bird of Light" geht hervor, wie eng die Kunst des Redens mit den entsprechenden Wirkungen auf das Gemüt verbunden ist. Wir haben auch herausgearbeitet, dass rhetorische Figuren aus der natürlich gesprochenen, durch bestimmte Umstände erhöhten Sprache entstehen. Das Vorherrschen von Rhetorik in der Lyrik Sri Chinmoys ist jedoch mehr als ein zufälliges Zurückgreifen auf diese natürlichen Muster. Sie wird hier zum bewussten Handwerkszeug.

Seine Verwendung rhetorischer Stilmittel berücksichtigt nicht nur deren emotionalen Gehalt, sondern auch ihren Effekt in Bezug auf die Verteilung von Betonungen und Klängen im Gedicht, ihre Brauchbarkeit als kompositorisches Element, ihr Beitrag zum Stil und den Grad der Vertrautheit des Lesers damit – kurzum, seine Verwendung rhetorischer Stilmittel verbindet deren emotionale und ästhetische Wirkungen. Es ist interessant zu beobachten, wie Sri Chinmoys Auswahl der Figuren von seinem eigenen Ausdrucksvorrat bestimmt wird [16] und weniger vom formalen Studium der traditionellen Klassifikationen. Man muss nicht erwähnen, dass beispielsweise die anerkannten griechischen Begriffe der Prosodie mit gutem Grund auf viele seiner Stilmittel angewandt werden können, wenngleich bezweifelt werden kann, ob diese Begriffe für den modernen Leser noch in ihrer Bedeutung verstanden werden. Die Frage der Terminologie der Rhetorik wurde lang Zeit als überflüssige Verwirrung des Themas der poetischen Funktion der Rhetorik gehalten. In diesem Sinne schreibt W.S.Howell in "Logic and Rhetoric in England 1500-1700":

"It may seem strange that human energy should be applied so diligently to this interminable enumeration of stylistic devices, when the subject of communication offers more philosophic and more humane approaches. Such an interest is more concerned with the husks than with the kernel of style." [17]

Während eine mühsame Klassifikation der Stilmittel Herrn Howells Kritik wohl eher stützen würde, glaube ich, dass das bloße Identifizieren solcher Werkzeuge im Text fundamental ist für eine angemessene Wertschätzung der Kunstfertigkeit des Gedichts als ganzem. Wenn wir entdecken, dass ein Dichter in bestimmten Situationen ein bevorzugtes rhetorisches Stilmittel einsetzt, wird daraus nicht eine "Formel" seiner Komposition? Es folgt dann daraus, dass der Dichter in einer analogen Situation intuitiv diese Formel als das am besten geeignete Ausdrucksmittel einsetzen wird. Das soll nicht heißen, dass solche Formeln in rigider Weise im Gedicht angewendet werden, sondern eher, dass im Schmelztigel der Komposition der poetische Gedanke und die poetische Form untrennbar verbunden werden. Diese Verbindung mag dann über die Ebene des bewussten Schöpfungsvorgangs weit hinaus reichen. Zwei Bereiche, in denen das Rhetorische in Sri Chinmoys Gedichten mehr oder weniger als Modus des Denkens oder Modus des Fühlens operiert, sind die Parallelismen und die zusammengesetzten Hauptwörter, welche ich genauer untersuchen möchte. Die Parallelismen sind sowohl als innere wie als äußere Struktur eines der wichtigen formalen Prinzipien in Sri Chinmoys Lyrik. Ihm bietet sich darin nicht nur ein Instrument der Balance, der Einheitlichkeit und des Zusammenhalts, sondern auch ein geschmeidiges Werkzeug für feine Abstufungen der Bedeutung und für eine Strukturierung von Ideen und sogar Klängen.

[10]My Flute, p.29.
[11]Vickers, p.162.
[12]This definition is adapted from the one in the Princeton Encyclopedia of Poetry and Poetics (Princeton, New Jersey: Princeton University Press, 1972), p.434.
[13] My Flute, p.47.
[14] The Poems of Gerard Manley Hopkins, WH.Gardner and N.H.Mackenzie, eds. (London: Oxford University Press, 1970), p.70.
[15] North's translation. Q. by Vickers, p.83.
[16] Sri Chinmoy has re-formulated, within the context of his own life and from his own depth of experience, expressions that were once the subject of strict coding and classification under both Greek and Sanskrit systems of rhetoric.
[17]Q. by Vickers, p.90.